Die unsichtbare Macht des Volkes

4. Mai 2025

In der Geschichte hatte das Volk selten eine direkte politische Macht und dennoch war sein Einfluss nicht zu unterschätzen. Im Werk «Maria Stuart» von Friedrich Schiller wird gezeigt, wie stark das Volk im Hintergrund das politische Geschehen indirekt beeinflussen kann.  

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Das Volk in "Maria Stuart"

Im Werk «Maria Stuart» von Schiller geht es hauptsächlich um das Machtspiel zwischen Elisabeth I. und Maria. Dabei geht es um die Frage, wer den legitimen Anspruch auf den englischen Thron hat. Die beiden Königinnen stehen im Mittelpunkt des Geschehens. Ihr Handeln wird allerdings in der Geschichte durch verschiedene Nebenfiguren beeinflusst. Auch durch solche, die nicht explizit oder nur am Rande erwähnt werden.

Das Volk spielte im Hintergrund eine bedeutende Rolle und das, obwohl es keine politische Macht besass. Schiller deutete durch verschiedene Bemerkungen und Reaktionen der Figuren an, dass das Volk ein wichtiger Faktor war und dessen Einfluss nicht unterschätzt werden durfte.   

Die Geschichte der zwei Königinnen spielt im Jahr 1587. Zu dieser Zeit herrschte in England zwar eine monarchische Regierungsform, doch Elisabeth I. war sich bewusst, dass sie ihre Macht nicht völlig uneingeschränkt ausüben konnte. Obwohl England zu dieser Zeit noch keine konstitutionelle Monarchie im heutigen Sinn war, war die Unterstützung des Volkes von grosser Bedeutung, um ihre Herrschaft zu sichern. Mit anderen Worten ausgedrückt: Das Volk bildete Elisabeths Machtbasis, da sie ihre Macht legitimierte und für die Stabilität ihrer Herrschaft von Bedeutung war.

Elisabeth war sich dieser Abhängigkeit bewusst und wusste, dass Aufstände oder Unruhen seitens des Volkes ihre Macht gefährden könnten. Aus diesem Grund traf sie ihre Entscheidungen stets mit Blick auf die Zustimmung des Volkes. Im Grunde war Elisabeth eine Art «Marionette» des Volkes.

Im Zusammenhang mit dem Volk kann auch das Wort «launisch» verwendet werden, denn das Volk änderte seine Meinung relativ schnell. Es ist vergleichbar mit einem «Fähnchen im Wind». Das lässt sich in einem Abschnitt des Werkes gut erkennen: Das Volk wünschte sich Marias Tod und drängte Elisabeth ihre Hinrichtung zu unterschreiben. Dieser Druck führte schliesslich dazu, dass die Königin dem politischen Zwang nachgab, obwohl sie selbst mit der Entscheidung Zweifel hatte. Nach der Unterzeichnung wird sie gewarnt, dass sie durch diese Tat ein neues England sehen könnte, da das Volk Maria nun als Opfer sah. Das zeigt, wie sehr Elisabeth zwischen Machterhalt und moralischer Verantwortung gefangen war und wie wichtig der Einfluss des Volkes auf ihre politische Handlung wirklich war.

Das Volk im heutigen Spanien

Wenn man einen Blick in die Gegenwart wirft, wird deutlich, wie stark sich die Rolle des Volkes im Laufe der Jahrhunderte verändert hat. Als Beispiel folgt ein Vergleich zwischen der Herrschaftsform zur Zeit Elisabeths I. und der heutigen Monarchie in Spanien.

Ich habe mich für einen Vergleich mit Spanien entschieden, da es wie das frühere England eine Monarchie ist, heute jedoch eine parlamentarische. Dieses Gegensatz macht den Wandel in der Rolle des Volkes besonders deutlich. Ausserdem habe ich eine persönliche Verbindung zu Spanien, da ich von dort komme und ein stärkeres Interesse daran habe, die heutige Regierungsform besser zu verstehen.

Im Vergleich zu der Situation in England im 16. Jahrhundert ist die Rolle des Volkes in der spanischen Monarchie deutlich unterschiedlich.

In Spanien herrscht seit der Verfassung im Jahre 1978 eine parlamentarische Monarchie. Das ist eine Staatsform mit einem Monarchen als Staatsoberhaupt und einem Parlament als Regierungssystem. Der Monarch darf sich allerdings nicht mehr in die Regierungsgeschäfte einmischen und muss sich an die Verfassung halten. Er untersteht also den Gesetzen des Staates und dient hauptsächlich als symbolische Figur. Der jetzige König von Spanien, Felipe VI, erfüllt nur noch repräsentative Staatsaufgaben und tritt als Botschafter des Landes auf. In England hatte Elisabeth fast keine Einschränkungen. Sie konnte über die Regierung, Gesetze, Kriege etc. entscheiden und war nicht eine reinsymbolische Rolle.

Trotz einem Monarch hat die Regierung in Spanien auch demokratische Züge. Im Gegensatz zu England im 16. Jahrhundert hat in Spanien das Volk die eigentliche Macht. Die Bürger in Spanien können also in regelmässigen Abständen die Abgeordnete des spanischen Parlaments wählen. Dadurch haben sie eine aktive Rolle sowie direkten Einfluss auf die spanische Politik. Das Volk zur Zeit Elisabeths hatte diesen Privileg nicht und trotzdem schaffte sie es einen gewissen Druck auf die Königin Elisabeth zu erzeugen. Sie hatten nur einen indirekten Einfluss, welches durch Unruhen und Aufständen erzeugt werden konnte.

Der Vergleich zwischen der Zeit Elisabeth I. und der heutigen parlamentarischen Monarchie Spaniens verdeutlicht, wie stark sich das Machtverhältnis zwischen Herrscher und Volk verschoben hat. Während das Volk früher nur über Aufstände und Druck Einfluss ausüben konnten, ist es heute in demokratischen Systemen die legitime politische Macht. Das zeigt der gesellschaftliche und politische Wandel in den letzten Jahren. Das Volk ist nämlich nicht länger nur Zuschauer, sondern aktiver Mitgestalter politischer Entscheidungen.