Wenn Abwehr zur Allergie wird

20. Mai 2025

Jeden Tag atmen wir Millionen Bakterien und Viren ein, sind aber nicht ständig krank. Dies verdanken wir unserem Immunsystem. Es bekämpft unbemerkt rund um die Uhr schädliche Erreger. Manchmal arbeitet es jedoch „zu gut“ und reagiert übertrieben auf harmlose Stoffe. In diesem Blog erfährst du, wie das Immunsystem funktioniert und warum es manchmal zu Überreaktionen kommt.

Unser Immunsystem

Als Immunsystem wird die Summe aller Abwehrmechanismen des Körpers bezeichnet, die Infektionen verhindern oder eindämmern. Dabei wird zwischen angeborener und erworbener Immunität unterschieden. Die angeborene Immunität ist von Geburt an vorhanden. Es ist die erste Verteidigungslinie gegen Krankheitserreger, reagiert somit schnell, aber unspezifisch. Bei Kontakt mit einem körperfremden Stoff kann unser Immunsystem diesen zwar als fremd erkennen, jedoch den Erreger nicht genau bestimmen. Bakterien und Viren werden durch sogenannte PAMPs (Pathogen-assoziierte molekulare Muster) auf ihrer Oberfläche erkannt. Dabei handelt es sich um charakteristische molekulare Strukturmotive, eine Art «Identitätskarte» der Krankheitserreger. Nach der Erkennung folgt eine mehrstufige Abwehrreaktion.

Sobald Krankheitserreger in das Körperinnere gelangen, treffen sie auf Fresszellen (Phagozyten), welche zur Abwehr bereit sind. Diese Zellen haben Toll-Like Rezeptoren (TLR) an ihrer Oberfläche, die an bestimmte PAMPs der Erreger binden und sie so als körperfremd erkennen. Hierzu braucht es passende TLRs, ansonsten ist die angeborenen Immunität machtlos. Die erkannten Fremdstoffe werden aufgenommen oder unschädlich gemacht, indem sie von Makrophagen oder dendritischen Zellen (Arten der Fresszellen) verschlingt und im Zellinneren zu Antigene abgebaut werden. Diesen Prozess nennt man Phagozytose. Die Antigenstücke binden am Molekül MHC-II und werden dann an der Oberfläche der dendritischen Zellen präsentiert. Die dendritischen Zellen wandern weiter zu den Lymphknoten, wo sie das phagozytierte den naiven T-Zellen präsentieren. Die T-Zellen vermehren sich (Proliferation) zu identischen Tochterzellen mit gleichem Rezeptor und entwickeln sich weiter zu T-Helferzellen und zytotoxische T-Zellen. Die T-Helferzellen gelten als «Dirigenten des Immunsystems». Sie erkennen die Antigene, welche von den dendritischen Zellen vorher präsentiert wurde, binden an diese und werden aktiviert. Die Ausschüttung von Zytokine beginnt. Dabei handelt es sich um Botenstoffe, welche die anderen Immunzellen unterstützen. Zum Beispiel entwickeln sich B-Zellen durch eine Bindung mit den T-Helferzellen und Zytokine zu Plasmazellen. Sie sind für die Antikörperproduktion zuständig. Antikörper erkennen und binden gezielt an Krankheitserreger. Sie werden unschädlich gemacht. Neben Plasmazellen werden auch B-Gedächtniszellen gebildet. Bei einer erneuten Begegnung mit dem Krankheitserreger reagiert der Körper schneller und gezielter. Die Produktion passender Antikörper kann früher beginnen.  

Die Erdnussallergie

Quelle: pexels.com

So effektiv unser Immunsystem auch ist, manchmal richtet es seine Kraft gegen harmlose Stoffe. Das nennt man Allergien. Im nächsten Teil meines Blogs gehe ich auf die Erdnussallergie ein. Ich bin selbst betroffen und finde es spannend zu verstehen, welche Reaktionen unser Körper dabei zeigt.

Wichtig ist zu wissen, dass eine Allergie in zwei Schritten entsteht: Sensibilisierung und allergische Reaktion. Die Sensibilisierung ist die Vorstufe.
Stellt euch vor, ihr esst zum ersten Mal eine Erdnuss. Die Erdnüsse enthalten widerstandsfähige Proteine, die hohe Temperaturen und Magensäure überstehen. Diese Proteine gelangen unverändert in den Körper und werden fälschlicherweise als Feinde erkannt. Warum das passiert, ist noch unklar.

Die dendritischen Zellen nehmen die Erdnussproteine auf und zeigen sie den T-Helferzellen. Dabei wird Interleukin 4, eine Art Botenstoff, ausgeschüttet. Interleukin 4 aktiviert die B-Zellen, die daraufhin IgE-Antikörper gegen das Erdnussprotein produzieren. IgE (Immunglobulin E) ist eigentlich für die Abwehr von Parasiten zuständig. Da Erdnussproteine ähnliche molekulare Muster wie Parasiten haben, kann der Körper durcheinanderkommen und denselben Abwehrmechanismus aktivieren. Nach der IgE-Bildung binden die Antikörper an Mastzellen, die „Alarmzellen“ des Körpers, die vor allem in Haut, Atemwegen und Schleimhäuten sitzen. Damit ist der Körper auf die Erdnussproteine sensibilisiert.

Kommt es zu einer erneuten Kontakt mit Erdnussproteine, beginnt die allergische Reaktion. Die gebundenen IgE-Antikörper erkennen das Protein durch das Schlüssel-Schloss-Prinzip – es braucht also passende Rezeptoren, damit die Bindung gelingt. Sobald das IgE das Protein erkennt, aktiviert es die Mastzelle, die daraufhin Histamin freisetzt. Dieses Hormon verursacht typische Allergiesymptome wie Juckreiz, Rötung und Schwellungen, auch in den Atemwegen.

Die Anaphylaxie (allergischer Schock) ist die stärkste Form einer allergischen Reaktion. Dabei setzen die Mastzellen im ganzen Körper gleichzeitig grosse Mengen Histamin frei. Betroffenen wird in solch einem Fall Adrenalin mit einem EpiPen in den Oberschenkel gespritzt. Adrenalin ist ein körpereigenes Hormon, dass bei Stress ausgeschüttet wird. Es entspannt die Muskulatur der Bronchien, erweitert die Atemwege und hemmt die weitere Histaminfreisetzung. Außerdem regt es das Herz an, wodurch Herzfrequenz und Sauerstoffversorgung steigen. So stabilisiert sich der Kreislauf, und der Körper ist wieder aus der akuten Gefahrsituation heraus.

Zusammenfassend zeigt sich, wie beeindruckend, aber auch empfindlich unser Immunsystem sein kann. Es schützt uns täglich zuverlässig vor gefährlichen Erregern – kann aber auch auf harmlose Stoffe überreagieren und damit zur Belastung werden. Gerade bei Allergien wie der Erdnussallergie ist es wichtig, die Mechanismen zu verstehen, um sich selbst besser schützen zu können.